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Du liest: Cannabis, Blutdruck und was die Wissenschaft heute weiß

Lange spielte Cannabis in der medizinischen Forschung nur eine Nebenrolle – zu unsicher war die rechtliche Lage, zu gering das Interesse. Doch mit der wachsenden Zahl an Patientinnen, die Cannabinoide therapeutisch nutzen, rückt eine zentrale Frage in den Fokus Wie wirkt Cannabis auf Blutdruck und Herz-Kreislauf-System? Neue Studien liefern erste Antworten – differenziert, teils widersprüchlich, aber medizinisch höchst relevant.


Das Wichtigste in Kürze:

  • Cannabis kann den Blutdruck sowohl senken als auch kurzfristig erhöhen – abhängig von Wirkstoff, Dosis, Konsumform und individueller Veranlagung. Das macht die Beurteilung komplex und verlangt differenzierte Forschung.
  • Ältere Patient:innen mit Bluthochdruck könnten von medizinischem Cannabis profitieren, wie kleine Studien aus Israel nahelegen. Die Wirkung war besonders bei nächtlichem Blutdruck positiv – ohne relevante Nebenwirkungen.
  • CBD (Cannabidiol) zeigt in Studien stressdämpfende und gefäßentspannende Effekte, ohne psychoaktive Wirkung. Das macht es zu einem vielversprechenden Kandidaten für die unterstützende Blutdrucktherapie – allerdings bislang nur in kleinen Probandengruppen untersucht.
  • Große Beobachtungsstudien aus den USA liefern Entwarnung: Bei älteren Menschen scheint regelmäßiger Cannabiskonsum den Blutdruck nicht negativ zu beeinflussen – zumindest nicht beim inhalativen Konsum in moderaten Mengen.
  • Risiken bestehen vor allem bei THC-reichen Produkten, hoher Dosis, synthetischen Cannabinoiden und bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hier könnte Cannabis den Blutdruck belasten oder Herzereignisse auslösen – besonders kurz nach dem Konsum.

 

Bluthochdruck gilt als einer der größten Risikofaktoren für Herzinfarkt und Schlaganfall. Millionen von Menschen auf der ganzen Welt sind betroffen – viele von ihnen älter, chronisch krank und schwer einstellbar mit klassischen Medikamenten. Die Vorstellung, dass ausgerechnet Cannabinoide bei dieser Volkskrankheit helfen könnten, wirkt auf den ersten Blick ungewöhnlich. Auf den zweiten allerdings eröffnet sie eine Diskussion, die an Tempo gewinnt: über therapeutische Chancen, über Risiken – und über eine neue medizinische Ernsthaftigkeit im Umgang mit Cannabis.

Entspannen oder gefährden – was macht Cannabis mit dem Kreislauf?

Zunächst zur Frage, die sich viele stellen: Senkt Cannabis den Blutdruck – oder hebt es ihn an? Die Antwort: Beides ist möglich. Und genau das macht Cannabis so herausfordernd für die kardiovaskuläre Forschung.

Die Warnung der Kardiologen

Die American Heart Association formuliert es vorsichtig, aber deutlich: Cannabis, insbesondere THC-haltige Produkte, können das Herz-Kreislauf-System belasten. Zwar existierten therapeutische Anwendungsgebiete – etwa bei Schmerzen, Spastiken oder Übelkeit – doch gerade für das Herz seien die Vorteile „wenig belegt“. Umgekehrt gebe es Hinweise auf Herzrhythmusstörungen, Blutdruckspitzen oder sogar Infarkte, besonders bei Risikopatient:innen und inhalativem Konsum.

Das Problem: Jahrzehntelange Prohibition hat die Forschungslage ausgedünnt. Die rechtliche Grauzone hemmt klinische Studien, insbesondere in den USA. Und doch ist der medizinische und nicht-medizinische Konsum so verbreitet wie nie.[1]

Hoffnung bei älteren Menschen mit Bluthochdruck

Deutlich optimistischer klingt es in einer israelischen Studie aus dem Jahr 2021. Dort untersuchten Forscherinnen 26 Patientinnen über 60 Jahre, die neu mit medizinischem Cannabis behandelt wurden – vor allem mit Blüten oder Ölen. Das Ergebnis: Nach drei Monaten war der durchschnittliche Blutdruck deutlich gesunken – sowohl systolisch (–5 mmHg) als auch diastolisch (–4,5 mmHg), gemessen über 24 Stunden. Besonders auffällig: Die stärkste Wirkung trat etwa drei Stunden nach der Einnahme auf, also zur Zeit der höchsten Konzentration im Blut.

Nebenwirkungen? Keine relevanten. Weder EKG noch Blutwerte zeigten Auffälligkeiten. Im Gegenteil: Mehr Patientinnen wiesen am Ende der Studie den gesunden Tag-Nacht-Blutdruck-Rhythmus auf, der als Marker für ein niedriges Herzrisiko gilt. Für die Wissenschaft ist das ein zartes, aber ernstzunehmendes Signal Cannabis könnte bei älteren Bluthochdruckpatient:innen tatsächlich helfen.[2]

Beruhigung für die Gefäße: Auswirkungen von CBD auf den Blutdruck

Etwas grundsätzlicher geht eine britische Studie aus dem Jahr 2017 an die Frage heran. Sie untersuchte nicht THC, sondern reines Cannabidiol (CBD) – jenen Cannabinoid-Wirkstoff, der nicht berauschend, aber vielfach als angstlösend, entkrampfend und entzündungshemmend beschrieben wird.

Neun gesunde Männer erhielten entweder 600 mg CBD oder ein Placebo. Danach wurden sie mehreren Stresssituationen ausgesetzt: Kopfrechnen, Kältebad, isometrische Belastung. Das Ergebnis: CBD senkte den Ruhe-Blutdruck und dämpfte die Stressreaktionen – insbesondere bei Kältereizen, die normalerweise zu einem starken Blutdruckanstieg führen.

Gleichzeitig stieg jedoch die Herzfrequenz leicht an, während das Schlagvolumen zurückging. Das Herz pumpte schneller, aber nicht weniger effizient. Die Forscher:innen vermuten, dass CBD hier auf das vegetative Nervensystem wirkt – vielleicht über eine Hemmung der Stressantwort, vielleicht über direkte Gefäßentspannung.[3]

Ein Stoff, der das Herz beschleunigen kann

Cannabis wirkt allerdings nicht immer beruhigend – direkt nach dem Konsum kann es den Blutdruck sogar erhöhen. Besonders dann, wenn Produkte mit viel THC verwendet werden. Die Herzfrequenz steigt oft deutlich an, und auch der Blutdruck geht kurzzeitig in die Höhe. Das liegt daran, dass THC auf das autonome Nervensystem wirkt – also auf den Teil des Körpers, der Herzschlag und Kreislauf automatisch steuert. Bei manchen Menschen kann das sogar dazu führen, dass ihnen beim schnellen Aufstehen schwindelig wird – eine sogenannte orthostatische Hypotonie, bei der der Blutdruck plötzlich absackt. Besonders vorsichtig sollten Menschen mit Herzkrankheiten sein. Denn bei ihnen kann Cannabis Brustschmerzen früher auslösen – und im schlimmsten Fall sogar einen Herzinfarkt begünstigen. Zwar gibt es bislang keine eindeutigen Hinweise auf langfristige Schäden durch Cannabis am Herzen – doch für Risikopatient:innen ist der Konsum nicht ohne.[7]

Kein Risiko für den Blutdruck? Neue Daten aus den USA

So viel zu den kleineren Studien. Eine groß angelegte US-amerikanische Untersuchung aus 2024 liefert einen nüchternen, aber wichtigen Befund: Regelmäßiger Cannabiskonsum scheint den Blutdruck älterer Menschen nicht zu beeinflussen – weder zum Guten noch zum Schlechten.

Die Studie, Teil der renommierten Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis (MESA), wertete die Gesundheitsdaten von über 3.200 Menschen im Alter zwischen 59 und 99 Jahren aus. Die Forschenden interessierten sich dabei besonders für den Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und erhöhtem Blutdruck – ein Thema, das bislang von widersprüchlichen Ergebnissen geprägt war. Ihre Frage: Hat eine längere Geschichte des Konsums – etwa das regelmäßige Rauchen über Jahre hinweg – messbare Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System?

Die Antwort überrascht durch ihre Klarheit: Nein.

Weder der systolische noch der diastolische Blutdruck waren bei den Cannabiskonsument:innen erhöht. Auch die Häufigkeit von Bluthochdruck (Hypertonie) war nicht höher als bei jenen, die nie oder nur sehr selten Cannabis konsumiert hatten. Weder die Dauer des Konsums noch der Zeitpunkt der letzten Anwendung spielten eine Rolle. Selbst Unterschiede zwischen Männern und Frauen, zwischen Rauchenden und Nichtrauchenden, zwischen Ethnien – blieben ohne Einfluss.

Für viele ältere Patient:innen, die Cannabis zur Schmerzlinderung oder Schlafverbesserung einsetzen, ist das eine beruhigende Nachricht: Zumindest in Bezug auf den Blutdruck scheint von regelmäßigem Konsum kein zusätzliches Risiko auszugehen.

Gleichzeitig mahnt die Studie zur Differenzierung. Denn untersucht wurden ausschließlich Menschen, die Cannabisblüten geraucht hatten – andere Konsumformen wie Extrakte, Kapseln oder Edibles blieben außen vor. Auch ist die Aussagekraft begrenzt: Die Studie zeigt keine Schutzwirkung, sie belegt lediglich das Fehlen eines Risikos.

Was bleibt, ist ein Befund mit leiser, aber weitreichender Bedeutung: In einer alternden Gesellschaft, in der sich der Umgang mit Cannabis zunehmend normalisiert, bietet diese Studie eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für mehr Gelassenheit – und eine Einladung zur weiteren Forschung, frei von Ideologie, aber voller Neugier.[4]

Auswirkungen von Cannabis auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Für das Herz-Kreislauf-System könnte Cannabis allerdings zum Risiko werden – zumindest dann, wenn Vorerkrankungen vorliegen oder die Substanz in hohen Dosen konsumiert wird.

Eine umfassende Übersichtsarbeit, die 2021 erschienen ist, bringt erstmals Ordnung in das Dickicht widersprüchlicher Daten. Ihr Fazit ist zwiegespalten: Während einzelne Bestandteile wie Cannabidiol (CBD) in Tiermodellen gefäßschützend und entzündungshemmend wirken, steht der berauschende Wirkstoff THC unter Verdacht, akut Herzinfarkte oder Schlaganfälle auslösen zu können – vor allem in der Stunde nach dem Konsum. Das Risiko steigt, wenn THC inhaliert wird, etwa durch Rauchen oder „Dabbing“, eine hochpotente Form der Vaporisation.

Erschwerend kommt hinzu: Viele Konsument:innen kombinieren Cannabis mit Tabak. Das macht es in Studien schwer, die Wirkung zu trennen – und verschärft potenziell die Gefahren für Gefäße und Herzmuskel. In einer großen US-Datenanalyse etwa zeigte sich, dass Cannabiskonsumenten nach einem überstandenen Herzinfarkt häufiger erneut hospitalisiert werden – obwohl sie im Schnitt jünger und scheinbar gesünder waren als die Vergleichsgruppe.

Und doch gibt es auch Lichtblicke: CBD – jenes nicht-psychoaktive Molekül – zeigte in kleinen Studien eine senkende Wirkung auf den Blutdruck unter Stress, verbesserte die Durchblutung und reduzierte den oxidativen Stress in Gefäßmodellen. Es scheint: Die Wirkung auf die Blutgefäße hängt nicht nur vom Stoff ab, sondern auch von der Darreichungsform, der Dosis – und vor allem vom Menschen selbst.

Besonders gefährlich sind synthetische Cannabinoide – also künstlich hergestellte Wirkstoffe, die als „Spice“ oder „K2“ verkauft werden. Sie binden stärker an die Rezeptoren im Körper, wirken unberechenbar – und haben in Einzelfällen bereits zu plötzlichen Herztoden geführt.[5]

Zwischen Hoffnung, Risiko und individueller Entscheidung

Cannabis ist kein Allheilmittel – aber auch kein reines Risiko. Für das Herz-Kreislauf-System gilt: Die Wirkung ist komplex, vielschichtig und abhängig von Substanz, Dosis, Darreichungsform und Patient:in. Während CBD in ersten Studien gefäßschützende Eigenschaften zeigt, kann THC insbesondere bei Menschen mit Vorerkrankungen problematisch sein. Entscheidend ist deshalb nicht nur, was konsumiert wird, sondern wer es konsumiert – und in welchem medizinischen Kontext.

Was fehlt, sind groß angelegte, qualitativ hochwertige Studien – frei von ideologischen Scheuklappen. Was bleibt, ist die Aufgabe, Patient:innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht allein zu lassen in ihrer Suche nach wirksamer Linderung. Cannabis könnte ein Teil einer Therapie und einer Lösung sein. Aber nur dann, wenn es mit medizinischer Sorgfalt und kritischem Blick eingesetzt wird.


FAQ

Hat Cannabis Einfluss auf den Blutdruck?

Cannabis könnte den Blutdruck sowohl senken als auch kurzfristig erhöhen – je nach Wirkstoff, Dosis, Konsumform und individueller Veranlagung. Während der nicht berauschende Inhaltsstoff CBD in Studien eher blutdrucksenkend wirkt, kann THC den Blutdruck direkt nach dem Konsum ansteigen lassen. Besonders bei inhalativem Konsum und bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist Vorsicht geboten. Gleichzeitig zeigen große Beobachtungsstudien bei älteren Menschen keine langfristige Blutdrucksteigerung durch regelmäßigen Cannabiskonsum. Die Wirkung ist also individuell – eine ärztliche Beratung bleibt unerlässlich.

Ist Cannabis gut gegen zu hohen Blutdruck?

Ob Cannabis gegen zu hohen Blutdruck hilft, ist bislang nicht abschließend geklärt. Einige kleine Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Cannabinoide – insbesondere CBD – den Blutdruck unter Stress senken können. Auch bei älteren Patientinnen wurde ein leichter blutdrucksenkender Effekt beobachtet. Gleichzeitig kann THC, vor allem in höheren Dosen oder beim Rauchen, den Blutdruck zunächst erhöhen und das Herz belasten. Für Menschen mit Vorerkrankungen könnte das riskant sein. Kurz gesagt Es gibt erste Hinweise auf einen Nutzen, aber keine eindeutige Empfehlung – eine Therapie sollte immer individuell ärztlich begleitet werden.

Cannabis-Entzug: Bluthochdruck als Nebenwirkung?

Bei täglichem Cannabiskonsum kann ein plötzlicher Entzug den Blutdruck spürbar ansteigen lassen. Das zeigt eine klinische Studie, in der bei einzelnen Teilnehmenden systolische Blutdruckwerte um über 20 mmHg zunahmen, sobald sie das Cannabis absetzten. Besonders betroffen sind offenbar Menschen, die regelmäßig hohe Mengen konsumieren. Für Personen mit Bluthochdruck oder anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen kann das riskant sein. Deshalb sollte ein geplanter Entzug ärztlich begleitet und der Blutdruck in dieser Zeit regelmäßig kontrolliert werden.[6]

Wer sollte kein Cannabis nehmen?

Menschen mit bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen – etwa koronarer Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen oder Bluthochdruck – sollten Cannabis nur mit großer Vorsicht und unter ärztlicher Aufsicht verwenden. Besonders problematisch kann der Konsum von THC-haltigen Produkten sein, da diese den Puls beschleunigen, kurzfristig den Blutdruck erhöhen und in seltenen Fällen sogar Herzinfarkte oder Schlaganfälle begünstigen können. Auch bei älteren Menschen mit mehreren Vorerkrankungen oder bei gleichzeitiger Einnahme von blutdruckwirksamen Medikamenten ist Zurückhaltung geboten. Ärztlicher Rat ist hier unerlässlich.


Quellen

[1] Page, R. L. II, Allen, L. A., Kloner, R. A., Carriker, C. R., Martel, C., Morris, A. A., Piano, M. R., Rana, J. S., Saucedo, J. F., & American Heart Association Councils. (2020). Medical marijuana, recreational cannabis, and cardiovascular health: A scientific statement from the American Heart Association.Circulation, 142(10), e131–e152.

[2] Abuhasira, R., Haviv, Y. S., Leiba, M., Leiba, A., Ryvo, L., & Novack, V. (2021). Cannabis is associated with blood pressure reduction in older adults: A 24-hours ambulatory blood pressure monitoring study. European Journal of Internal Medicine, 86, 79–85.

[3] Jadoon, K. A., Tan, G. D., & O'Sullivan, S. E. (2017). A single dose of cannabidiol reduces blood pressure in healthy volunteers in a randomized crossover study. JCI Insight, 2(12), e93760.

[4] Corroon J, Bradley R, Allison MA and Grant I (2024) Blood pressure and hypertension in older adults with a history of regular cannabis use: findings from the Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis. Front. Cardiovasc. Med. 111432923. doi 10.3389/fcvm.2024.1432923

[5] Dabiri, A. E., & Kassab, G. S. (2021). Effects of cannabis on cardiovascular system: The good, the bad, and the many unknowns. Medical Cannabis and Cannabinoids, 4(2), 75–85.

[6] Vandrey, R., Umbricht, A., & Strain, E. C. (2011). Increased blood pressure after abrupt cessation of daily cannabis use. Journal of Addiction Medicine, 5(1), 16–20.

[7] Sidney, S. (2002). Cardiovascular consequences of marijuana use. Journal of Clinical Pharmacology, 42(S1), 64S–70S.

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